OLIVER ROSS – Hard Edge Hippie Brain

Nach diesem Sommer der künstlerischen Mega-Events und Super-GAUs, in dem die Parties endgültig wichtiger wurden als die Ausstellungen (Venedig und Basel), in dem frohgemut die Kunst des Scheiterns zelebriert wurde (Documenta 12) und das deutsche Feuilleton besorgt vermeldete, die Kunst sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen und habe jegliche avantagardistische Sprengkraft verloren, tritt Oliver Ross den furiosen Gegenbeweis an: Der Hamburger Maler und Installationskünstler verwandelt in seiner zweiten Einzelausstellung bei White Trash Contemporary die Galerie in ein bewusstseinssprengendes Gesamtkunstwerk, das uns daran erinnert, wie packend und sinnlich, wie provozierend und systemkritisch künstlerische Praxis heute immer noch sein kann.

Hier geht es nicht um einen Hoheitsstreit zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei, nicht um eine neue Definition von Skulptur oder Videokunst. Die verschiedenen Kunstgattungen sind für Ross gleichwertige Ausdrucksmittel, die er selbstbewusst einsetzt, um kraftvolle, visuell und intellektuell stimulierende Bilder zu erzeugen – archaisch-philosophische Ordnungssysteme, geistige Abstraktionen, sexuell aufgeladene Seelenlandschaften, Wanderungen durch ein hyperaktives “Hard Edge Hippie Brain”.

In die komplett bemalten Galerieräume implantiert Ross diesmal eine aus diversen Haushaltsgegenständen und chemischen Gefäßen bestehende “kanalisierte Action Painting-Maschine”, die auf systemtheoretische Netzwerke und unausweichliche biologische Prozesse verweist. Oder in den Worten des Künstlers: “Der Prozess hat einen Anfang und ein Ende, so wie unser beschreibbares individuelles Leben auch mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Zwischen diesen beiden Punkten gibt es Produktion, Lust und Unlust, Zeit vergeht, Energie wird verbraucht, aber was davor war und was danach sein wird, wissen wir nicht.”

Wer einmal Oliver Ross’ hoch komplexe Installationen mit ihrem aufgetürmten “Seelenmüll”, den Bisskanten, den grellen Farben und delikaten Oberflächen gesehen hat, weiß, dass sich hier etwas Neuartiges auftut, das vom Betrachter gelesen sein will wie ein spannendes Buch. Ross kehrt dass hypothetische Innere nach außen, visualisiert die Neurosen und Obsessionen unserer Gesellschaft und das mit einem verspielten Augenzwinkern, das Hoffnung macht, dass in der Kunst doch noch nicht alles verloren ist.

Oliver Ross (geb. 1967 in München) studierte freie Kunst an der HfBK Hamburg bei Prof. Bernhard Joh. Blume