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Jenseits aller Romantik
VON WOLF JAHN

13. Oktober 2010, 07:36 Uhr
Malerei von Andrea Ventura ist in der White Trash Contemporary Galerie zu sehen

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Foto: Galerie/Andrea Ventura

WHITE TRASH GALERIE. "Rooms & Nudes" heißt die aktuelle Schau in der Galerie White Trash Contemporary. Das klingt nicht nur klar und eindeutig. Das ist es auch. Kein Rätselraten, kein Hintersinn, keine Sinnüberfrachtung. Hier gibt es (fast) nur Räume und Akte zu sehen, ausgeführt von einem, der überwiegend im Geschäft mit der Illustration steckt: Andrea Ventura.
Unter anderem erhielt der 1968 in Mailand geborene Italiener in diesem Jahr den deutschen Medienpreis Lead Award in Gold in der Kategorie "Illustration": Ungewöhnlich dokumentiert, nämlich als Zeichnung, hatte Ventura die Wohnung von Bryan Adams in Paris dargestellt. Venturas Illustrationen sind in Zeitungen und Magazinen wie "New York Times", "Time Magazin", "Newsweek" oder "Rolling Stone" publiziert worden.
In seiner freien Malerei wendet sich der seit einiger Zeit in New York und Berlin lebende Ventura der Klassischen Moderne zu - mit ihren kräftigen Strichen, ihren hochgewachsenen, zum Teil kantig wirkenden Frauen, dem kunstvollen Spiel mit akademischen Haltungen und zotigen Posen.
Venturas Akte bringen sich ganz klassisch als Liegende oder Sitzende in Stellung. Sie können sich aber auch fast wehrlos in ihr Schicksal als erschlaffte Couch-Potatoes oder als Paar, das sich im Schultern übt, fügen. Oder sie ruhen einfach unter Bäumen.
Und noch etwas rettet der Künstler von der Klassischen Moderne in die Jetztzeit rüber. Es ist mehr ein Gefühl als ein Stil: den Sinn für Entfremdung. Andrea Venturas Akte strahlen alles andere als romantische Innigkeit aus. Sie sind einander fremd, wirken wie ab- oder hingestellt.
Den Räumen ergeht es dabei nicht anders. Fahles Licht taucht das wenige Mobiliar in dämmriges Zwielicht, den Tisch, die Kommode, das Bett oder den Schminktisch. Überwiegend sind es abgeräumte Interieurs mit leeren Schränken, blanken Tischen oder verwaisten Sitzmöbeln. Die Geister von gestern hausen in diesen Möbeln aus einem anderen Jahrhundert allerdings schon länger nicht mehr. Tisch und Bett spielen jetzt andere Rollen, die Rolle des malerischen Gegenstands, den Andrea Ventura bereitwillig als Stillleben in Öl auf seine Leinwände bannt.
Manchmal nimmt er allerdings auch Reißaus von seinen schwergewichtigen Gemälden, um sich an kleine, eher anekdotische Bilder zu wagen. Da gibt es ein Foto der jungen und unbekleideten Simone de Beauvoir im Badezimmer, aufgenommen von einem ihrer frühen Liebhaber. Ganz in SchwarzWeiß und mit einem dicken dunklen Rahmen versehen hängt es nun als gemalte Version an der Galeriewand. Als sei's eine kleine Etüde für Schatten und Licht. Reine Malerei, geboren aus dem reichen Bilderfundus der Geschichte.
Andrea Ventura: Rooms & Nudes: White Trash Contemporary Galerie für zeitgenössische Kunst (U Rödingsmarkt), Neue Burg 2, bis 23.10., Mi-Fr 13.00-19.00, Sa 12.00-16.00, T. 040/36 09 99 35,www.whitetrashcontemporary.com