LOST IN SUMMER

Es ist Sommer und alle fahren in die Ferien. Alle? Nein, Künstler sind immer im Dienst und neuerdings auch ihre Galeristen. Von einer jungen Mannschaft aus New York, Berlin, Hamburg und Kiel werden frische künstlerische Positionen präsentiert, die sich im weitesten Sinne mit Fragen der Deformation der Wirklichkeit befassen. Bei den Künstlern handelt es sich um „Stammspieler“, Neuentdeckungen und einige Sommerfrischler von befreundeten Berliner Galerien zu Gast in Hamburg:

John von Bergen, der an der School of Visual Art in New York studierte, zeigt eine Installation aus gegossenen Kunststoffobjekten, bei denen Steckdosen eine vitale Rolle spielen. Die fiktive Realität von Skulptur in Kombination mit abstrakten Zeichnungen hinterfragt suggestiv die Wahrnehmung uns bekannter Dinge.

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John von Bergen, installation view

Thorsten Brinkmann ist für seine skuril-skulpturalen Selbstporträts bekannt. In seinen Fotografien inszeniert er sich in merkwürdigen Verkleidungen und zeigt humorvoll die Verkapselung des Einzelnen in unser medial gelenkten Welt.

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Thorsten Brinkmann, Türki die Pill, 28x22cm,c-print, 2007, Auflage 3

Manfred Holtfrerich analysiert mit verblüffender Klarheit banales wie Laubblätter, indem er sie täuschend echt aquarelliert und dabei die Frage stellt: Wie konkret ist eigentlich die Wirklichkeit? Dazu zeigt er formschöne, bemalte Holzskulpturen, die an mathematische Gleichungen erinnern.
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Manfred Holtfrerich, Blatt No. 111, Auquarell auf Bütten, 43x51cm

Auch der Kieler Künstler Benjamin Mastaglio widmet sich der Frage, welche Funktion die Malerei im Spannungsfeld zwischen Figuration und Abstraktion in der heutigen digital vermessenen Welt noch haben kann. Er antwortet mit komplexen Farbkompositionen, Streifenbildern und geometrischen Raumgebilde in leuchtenden Farben aus klassischem Haushaltslack, die zugleich abstrakt und gegendständlich sind.

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Benjamin Mastaglio, Lack auf Holz, 80x80cm, 2010

Sandra Meisel, eine Berliner Bildhauerin, arbeitet auch mit Fotografie, etwa wenn sie mit einer selbstgebauten Lochkamera stimmungsvoll verschwommene Landschaften und Stillleben einfängt. In dieser Ausstellung zeigt sie verträumt-konzeptionelle Fotos von Palmen und Käfigen.

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Sandra Meisel, Käfig, Lampda-print, 60x49,5cm, Auflage: 3+1AP

Seok Lee, ein deutsch-koreanischer Künstler, der an der Hamburger HfBK studiert hat, malt in altmeisterliches Licht getauchte Innenräume oder Landschaften, die auf iritierende Weise in Abstraktionen zerfließen. Diesmal verbindet er seine eigenwillige Ölmalerei mit einem Wandfresco.

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Seok Lee, installation view

Martin G. Schmid arbeitet in Schichten. Seine geometrisch-futuristischen Abstraktionen entstehen in langwierigen Transferprozessen, bei denen er Strukturen von Fotopapier auf Leinwände überträgt und bearbeitet. Auch seine Zeichnungen sind geschichtete Bildcollagen, die Landschaften einer anderen Welt evozieren.

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Martin G, Schmid, o.T. z10-01,Graphite, charcoal, chalk, ball point pen, pigment ink print on paper, 30 x 50 cm, 2008

Oliver Schmidt arbeitet in Fotoserien, etwa mit lakonisch-komischen Porträts und Interieurs seiner Großmutter. Die großformatige Fotoarbeit in der Ausstellung zeigt einen jungen Mann mit rosa Phallus in der Hand in einem wahnwitzigen Chaoszimmer kauern – ein augenzwinkerndes Selbstporträt als sinnsuchender Heranwachsender.

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Oliver Schmidt, o.T.,160x130cm,Lambda Print, Acrylglass auf Dibond, ,2004, Edition 1/3 +1AP

Christof Zwiener signalisiert mit seiner rotierenden Skulptur „Von der Möglichkeit, einen Freiheitsgrad zu besitzen“, die Kohlebriketts fragil transportiert, die Eingebundenheit in ein System, daß sich mit der Verteilung von Energie auseinandersetzt.

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Christof Zwiener, „Von der Möglichkeit einen Freiheitsgrad zu besitzen, drehbare Skultur, Stahl, Filz, 2010